Sebastian Nutzlos (G&GN-INSTITUT), 17.12.2019, hat sich an diesen echten Traum beim Aufwachen um 7 Uhr morgens erinnert, bevor er zur Beerdigung von Peter Rech nach Köln fuhr:

DIE SELBSTZERSTÖRUNG DER ZIVILISATION IM 33.JHD. (EIN SCIFI-ALBTRAUM VON 2019)

 

Kennen Sie eigentlich die berühmte Brücke von Florenz, die aus unzähligen überhängenden bunten Fenstern bestand? Dann werden Sie auch verstehen, wovon ich Ihnen jetzt aus einer vergangenen Zukunft berichten will.


Die gesamte Menschheit hatte sich im Laufe der letzten Jahrhunderte durch ihre blinde Betriebsamkeit ganz schleichend auf einen gigantischen Ballungsraum zugespitzt, ohne sich über das Risiko bewusst zu sein, wie gefährdet eine Zivilisation ist, wenn sie keine geschützten Ableger mehr hat, sondern alles auf eine Karte setzt. Dieser Ballungsraum von der Größenordnung Europas war ganz allmählich weit oben im Gebirge zwischen den beiden äußersten Zehntausendern entstanden, die sich im Jahre 2968 durch das planetarische Erdbeben und die damit verbundenen Vulkanausbrüche wie aus dem Nichts hochgewölbt hatten. Die Menschheit war daraufhin über die kommenden Jahrhunderte von beiden Seiten wie eine Brücke zusammengewachsen und ergab heute einen bienenwabenähnlichen Haufen aus elektrifiziertem Schrott, der über den kleineren Bergen des gigantischen Hochtals in der Luft hing. Der gesamte letzte menschliche Lebensraum sah aus, als hätte man die Florenzer Brücke in einen Hightechkomplex verwandelt und auf die Größe eines Kontinents aufgeblasen. Nachts funkelte der Ballungsraum gut sichtbar aus mehreren tausend Kilometern Entfernung, wo sich unsere Expedition aufhielt, als das Unglück geschah.


Das Problem war in jener Nacht, daß das stadtgroße Raumschiff zu lange über dem einzigen zentralen Landeplatz schweben musste, weil irgendein automatisches elektronisches Erfassungsprotokoll nicht korrekt funktionierte. Das Raumschiff hing über der Zivilisationsbrücke regungslos in der Luft und die Millionen Menschen an Bord konnten nichts anderes tun als in der Wellnessanlage gechillt zu warten und über die Technik zu lästern, die ihre Urahnen entwickelt hatten. "Smalltalk" nannten sie solche Nerd-Unterhaltungen in Anlehnung an die guten alten Zeiten, als es noch mehrere Sprachen gab und diverse Klon-Präsidenten mit blonder Sturmfrisur auf der Erde verteilt Politcomedy-Liveshows boten, um die Menschen von ihrer spirituellen Depression abzulenken.


Dann passierte es plötzlich: das magnetische Antigravitationsfeld unter dem Raumschiff brach einfach zusammen, deaktiviert durch einen der seltenen Systemfehler, deren geringe Wahrscheinlichkeit wir trotz mehrdimensional parallel verlaufender unabhängig vernetzter ORGAQUANT-Computerprogramme, die ihre geringsten Abweichungen automatisch gegenseitig ausgleichen (gemäß der Devise "autonomer Kooperation"), nicht hundertprozentig ausmerzen konnten. Das Raumschiff stürzte in Sekundenschnelle auf den grell erleuchteten Landungsplatz vom Ausmaß mehrerer Fußballstadien, durchbrach mit ohrenbetäubendem Lärm die obersten Etagen der Zivilisationsbrücke und fraß sich mit seiner eigenen Schwerkraft durch den gesamten Komplex, bis es ganz unten in kleingemahlenen funkelnden Einzelteilen glühend auf die Landschaft herausrieselte wie ein Sternenmeer und die gesamte Anlage danach in sich kollabierte.


Wir erhielten über Neurofunk die automatischen Anweisungen des dezentralisierten Notprogramms, das in den hunderten Geheimbunkern aktiviert wurde, so daß alle Expeditionstrupps "autonom vernetzt" die Rettungsmaßnahmen einleiten konnten, um das gespeicherte Wissen der Menschheit als Keimzelle für den Wiederaufbau zu verwenden. Zum Glück hatten die Machthaber zumindest diese altmodische Vorsorge getroffen, wenn auch sämtliche Milliarden Menschen mit einem Schlag ausgerottet waren. Die Expeditionstrupps bestanden außerdem immer zur Hälfte aus fortpflanzungsfähigen Frauen und Männern, so daß wir nun unter Schock stehend den naheliegendsten Bunker ansteuerten, um das humanoide Rebootprogramm einzuleiten.


Wir zählten nun zu den Auserwählten des planetarischen Wiederaufbaus und eine unserer ersten Pflichten bestand darin, Euch über Chronosatellit diese Meldung in die Vergangenheit zurück zu schicken, damit Ihr die Zivilisationsbrücke gar nicht erst baut, sondern möglichst dezentral über die Erde verteilt bleibt und die Notbunker schon heute baut; denn das paradoxe Problem, das Ihr jetzt selber habt, liegt in der Tatsache, daß sich durch die einmalige Verwendung des Chronosatelliten die Zeitachse des Erdenergiefeldes verschiebt und daher nicht mehr vorhersagbar ist, in welchem Jahr das globale Erdbeben passiert, das sich nur für uns hier aus der Zukunft gesehen im Jahre 2968 ereignet hatte. Es könnte in Eurer neuen Zeitschiene womöglich schon morgen geschehen. Viel Glück, meine lieben Schwestern und Brüder, viel Glück für diese wundersamste Rasse des Universums!