"Literatur und Kunst spielen scheinbar GAR KEINE Rolle, sie erfüllen nur eine Alibifunktion, um die Apokalypse zu vertuschen! Wer kreativ ist, soll es ruhig sein, und wer kritische Kunst produziert, kann das ruhig machen: es ändert NICHTS an der globalen Misere, rein gar nichts. (...) Der allgemeine beschäftigungstherapeutische Kunstkonsum als Freizeitspektakel täuscht darüber (nicht) hinweg, daß in echt niemand jemals daran glaubte, daß die Poetisierung der Welt möglich wäre. Eine echte Poetisierung beginnt meiner bescheidenen persönlichen Meinung nach in der Seele des Einzelnen..."

Tom de Toys, Multimedialer Lyriker Düsseldorf-Eller Süd 23.9.2021

 

5 Fragen an Künstler*innen von Walter Pobaschnig

DIE UNGEKÜRZTE (GELBE) FASSUNG

Tom de Toys, Multimedialer Lyriker. Das Interview wurde am 23.9.2021 online geführt.

Offizielle gekürzte Version vom 17.11.2021: @ https://literaturoutdoors.com


 

Lieber Tom, wie sieht jetzt Dein Tagesablauf aus?

 

Ich habe seit einer schweren Gesundheitskrise vor 10 Jahren einen Lebensgrundsatz: immer nur 1 Projekt pro Tag abarbeiten, damit sich meine obersten Prinzipien, (innere) RUHE & GEDULD (mit mir selbst) zu bewahren, in der Wochenbilanz zugunsten der Gesamtverfassung auswirken. Konkret sieht das dann so aus, daß ich bei den ersten beiden Instantkaffees am sonnigen Fensterplatz zunächst im obersten Buch vom gefährlich schwankenden Stapel wenigstens 1 Kapitel lese, in mehreren anderen Büchern kurz querlese, um eines davon für den nächsten Tag ganz nach oben umzuschichten, und dann erst das Handy einschalte, um alle socialmedia Nachrichten meiner zahlreichen Accounts auf Facebook, Twitter, Instagram und neuerdings TikTok zu überprüfen. Dadurch nehme ich noch neue Impulse ins erwachende Denken auf, um mich dann 1 künstlerischen Sache zu widmen, sei es ein Gedicht zu schreiben (ganz altmodisch mit Kugelschreiber auf Papier), ein Foto vom Vortag aufzubereiten (mit einer Editor App) oder mit einer Auftragsarbeit am PC weiter voran zu kommen, wie jüngst die Erstellung hochaufgelöster TIFF-Dateien für einen Produkthersteller, der meine Quantenlyrik und malerischen Motive (www.PostmoderneKunst.de) als Design benutzen will (mehr sei da noch nicht verraten, da sich die Kooperation erst in der Aufbauphase befindet).


Nachmittags bekomme ich dann endlich Hunger und mache einen langen Spaziergang durch die sogenannte "Grüne Achse", dank derer man in Düsseldorf u.a. entlang der Düssel (ja, definitiv DER Fluss hier!) die Stadt ohne allzu viel Verkehrslärm durchqueren kann. Unterwegs esse ich (die erste Nahrungsaufnahme erledige ich aus verdauungstechnischen Gründen lieber im Gehen als im Sitzen) und reflektiere nochmal meditativ über die erledigten Arbeiten, setze mich zwischendurch auf Parkbänke, wenn mich noch spontane Inspirationen einholen, um Notizen zu machen, und recherchiere in Jobbörsen nach freien Stellen als Betreuungskraft in Seniorenheimen (www.Betreuungsalltag.de). Seit meiner Enttarnung* eines Mißbrauchs des Covid19-Krankenhausentlastungsgesetzes im ersten Corona-Sommer bin ich wieder arbeitslos und finde trotz des Personalmangels in der Pflegebranche keine neue Stelle, verfolge die ganze Pflegedebatte stattdessen aktiv mit Kommentaren und eigenen Beiträgen.


Abends gönne ich mir oft eine heiße Wanne gegen die chronischen Schmerzen (in den 14 Berliner Jahren hatte ich diesen Wellness-Luxus nie!) und schaue danach gerne Scifis und Actionthriller im Bett bei einem Mikrowellen-Fertiggericht.


Was ist jetzt für uns alle besonders wichtig?


Ich mag keine pauschalen Behauptungen über "alle" Menschen, müsste mich auf die Meinungsmache von Massenmedien, Klischees und Vorurteile berufen, um über "alle" zu sprechen, werde selber nicht gerne als statistische Nummer gehandelt, von daher: ich weiß weder, was für "alle" wichtig sein könnte, geschweige denn "jetzt".

 

Mein Vater warnte als Klimaforscher bereits in den 90ern vor der menschgemachten Luftverschmutzung, aber es dauerte 30 Jahre, bis sich Politiker dafür (scheinbar) interessierten – und das auch nur, um sich beim Wähler anzubiedern. 30 Jahre! Was soll da schon wichtig sein? Den Druck macht sich die junge Generation (zum Glück!), aber ich bin mit ü50 inzwischen ziemlich desillusioniert, andere von der Wichtigkeit von irgendwas überzeugen zu wollen. Alles dauert ewig lange, bis sich was ändert. Die Menschheit verschleppt ihre Probleme, solange kein sichtbarer Notfall eintritt, der sie zum sofortigen Handeln zwingt. Besonders wichtig ist daher für MICH, einfach keinerlei große Erwartungen an andere Menschen zu haben, das Beste zu erhoffen, aber mit dem Schlimmsten zu rechnen. DANN ist die Enttäuschung am geringsten und die Überraschung am schönsten, wenn irgendein kleines Wunder geschieht.

 

Vor einem Aufbruch werden wir jetzt alle gesellschaftlich und persönlich stehen. Was wird dabei wesentlich sein und welche Rolle kommt dabei der Literatur, der Kunst an sich zu?

 

Ich empfinde überhaupt keine Aufbruchsstimmung, sondern hatte bereits mit Anfang 20 als aufmüpfiger, leicht paranoider Politdichter der Socialbeat/Slampoetry-Bewegung das unheimliche Gefühl, einer kollektiven Matrix ausgeliefert zu sein, die sich subtil infrastrukturell durch die gesamte Gesellschaft zieht, ohne daß man als einzelner Privatmensch jemanden zur Verantwortung ziehen könnte, weil jeder nur auf seine eingeschränkten Pflichten besteht und Dich auf den freundlichen Sachbearbeiter nebenan verweist - eine glitschige Endlosschleife aus empathielosem Desinteresse, mit dem sich die gesamte Menschheit in den eigentlich ungewollten Selbstmord treibt. Jeder Bürokrat, jeder Beamte, jeder Bürger ist an seinem Arbeitsplatz ein geöltes Rädchen in dieser schleichenden Apokalypse. Das ganze morsche Haus knirscht und knackt und der Wind pfeift bereits überall durch die Ritzen, aber alle tun so, als zöge kein Sturm auf und erledigen brav ihren Routinekram. Die Realität ist für mich mittlerweile fast wie ein Zombiefilm, in dem die Präsidenten und Firmenbosse Vampire und Monster mit harmlosen Karnevalsmasken sind, die Dir breit grinsend von der Plakatwand zurufen: "Wähl mich, ich liebe Dich, Du kleiner anständiger Rabattpunktesammler!" Literatur und Kunst spielen dabei scheinbar GAR KEINE Rolle, sie erfüllen nur eine Alibifunktion, um die Apokalypse zu vertuschen! Wer kreativ ist, soll es ruhig sein, und wer kritische Kunst produziert, kann das ruhig machen: es ändert NICHTS an der globalen Misere, rein gar nichts. Das ganze Kulturspektakel dient lediglich der seelischen Überkompensation unserer Nutzlosigkeit zur Beruhigung der flatternden Nerven! Der allgemeine beschäftigungstherapeutische Kunstkonsum als Freizeitspektakel täuscht darüber (nicht) hinweg, daß in echt niemand jemals daran glaubte, daß die Poetisierung der Welt möglich wäre. Eine echte Poetisierung beginnt meiner bescheidenen persönlichen Meinung nach in der Seele des Einzelnen und hat wesentlich mehr mit dem zenbuddhistischen Ankommen im ichlosen, leeren Fluss der Gegenwart zu tun als mit architektonischen Fantastereien und industriellen Innovationen. Die werden immer erst im zweiten Schritt akzeptiert, wenn sich das kollektive seelische Befinden bereits geändert hat. Dann passiert ALLES sowieso. Vorher: nichts! Ein bombastisches Warten auf Godot in der Schönen Neuen Welt!

 

Was liest Du derzeit?


Also, Beckett und Huxley sind schon seit meiner Jugend verinnerlicht, die empfehle ich natürlich immer wieder jedem. Was aber nicht unbedingt für jeden ein Lesevergnügen sein dürfte, ist die Fachliteratur, wenn man nicht in der Branche selber tätig ist. Ich lese derzeit das brandneue Sachbuch einer Kollegin: "WIR! Manifest für eine menschliche Pflege" von Brigitte Bührlen, um meinen beruflichen Horizont zu vertiefen. Angehörige von Pflegebedürftigen spielen ja in meinem Alltag als Betreuer eine große Rolle. Da spüre ich oft die Überforderung von Ehepartnern, Töchtern, Söhnen und Enkeln, aber eben auch deren Erleichterung, wenn wir ihnen vermitteln können, daß ihre Liebsten gut gepflegt und betreut werden…


Welches Zitat, welchen Textimpuls möchtest Du uns mitgeben?


Eins meines Lieblingsautors, dem Religionsphilosophen Alan Watts: "Man ist nicht, wie Eltern und Lehrer einem weismachen wollen, ein bloßer Fremdling im Weltsystem, sondern gleichsam das Ende einer Nervenfaser, durch welches das Universum sich selbst betrachtet. Aus diesem Grund hat beinahe jeder Mensch tief im Inneren ein unbestimmtes Ewigkeitsgefühl. Wenige haben den Mut, sich dazu zu bekennen, denn das würde auf den Glauben hinauslaufen, daß man selbst Gott sei." (1972 in der Autobiografie ZEIT ZU LEBEN, mehr unter www.AlanWatts.de)

 

Vielen Dank für das Interview lieber Tom, viel Freude und Erfolg weiterhin für Deine großartigen Literatur-, Kunstprojekte und persönlich in diesen Tagen alles Gute!

 


*Enttarnung eines CARITAS/CBT-Mißbrauchs des Covidgesetzes siehe PDF-Dokumentation